Seid ihr auch so große Fans von Managern und Valets? Für mich gehören diese bunten Charaktere zum Wrestling einfach dazu! Man denke nur an legendäre Vertreter wie Jimmy Hart, Paul Bearer, J.J. Dillon, Captain Lou Albano, „Classy“ Freddie Blassie, Jim Cornette, Gary Hart, Sunny, „Sensational“ Sherri und – selbstverständlich – Bobby „The Brain“ Heenan, … ich könnte noch stundenlang so weitermachen.
Einen Namen habe ich in dieser Auflistung bewusst außen vor gelassen, denn ihm möchte ich mich in dieser Kolumne gesondert widmen. Es handelt sich hierbei um einen der erfolgreichsten, talentiertesten und sicherlich auch unterhaltsamsten Manager, die es jemals im Catchen gab.
Es ist nämlich an der Zeit, den Hut vor Paul Heyman zu ziehen. Man liebt es, ihn zu hassen! Dabei habe ich ihn einst als sympathischen Menschen kennengelernt. Doch das ist eben die große Kunst des Sports-Entertainments, nicht selten sind die größten Heels im Privatleben die freundlichsten Zeitgenossen.
In der vergangenen Ausgabe wurde Paul Heyman einmal mehr zum „Manager/Valet des Jahres“ gekürt, und das völlig zurecht. Man muss es einmal auf der Zunge zergehen lassen: 21 Mal wurde der Preis bisher vergeben, elf Mal konnte Heyman triumphieren. Zuletzt sogar zehn Mal in Folge! Wir sollten uns langsam Gedanken darüber machen, ob wir die Kategorie künftig nicht gleich nach ihm benennen sollten.
Ich weiß nicht genau warum, aber in den vergangenen 15 Jahren spielten Manager und Valets eine insgesamt eher geringe Rolle beim Marktführer. Wirklich schade, denn gerade Wrestler, die am Mikrofon nicht zur absoluten Spitzenklasse zählen, ansonsten aber eine Reihe positiver Eigenschaften mitbringen, können von einem talentierten Sprachrohr ungemein profitieren. Von den zusätzlichen Story-Möglichkeiten gar nicht zu sprechen. Wer erinnert sich nicht gerne an Bobby Heenan im Wieselkostüm?
Hat Heyman also nur aufgrund mangelnder Alternativen so oft gewonnen? Nein, ganz und gar nicht. Sicherlich hätte er es im direkten Duell mit einem Freddie Blassie oder Jim Cornette nicht leicht gehabt. Doch die Tatsache, dass er sich im schwierigen WWE-Umfeld so lange halten und dabei immer wieder seine eigenen Vorstellungen umsetzen konnte, haben ebenso Respekt verdient. Vor allem, weil er nicht immer den vollen Rückhalt der Führungsriege genoss. Unter diesen Umständen regelmäßig auf dem allerhöchsten Level zu performen, ist eine Leistung für sich. Für mich besteht darum kein Zweifel, dass der Mann aus Scarsdale in New York jeden dieser Preise hart erarbeitet hat.
Nach knapp viereinhalb Dekaden im Wrestling ist Heyman aber auch selbst mit allen Wassern gewaschen. Niemand kennt das Business besser als er, und das aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln.
Bereits im Alter von 13 Jahren machte er sich als freischaffender Wrestling-Fotograf einen Namen, mit 19 trat er erstmals als Manager auf. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Manager, Kommentator, Booker, Promoter, Geschäftsmann … alle Stationen und Aufgaben zu listen, würde wohl den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Aber das ist auch gar nicht nötig, denn ich möchte mich bewusst auf die Rolle des ehemaligen ECW-Chefs als Manager fokussieren.
Anders als viele seiner Kollegen ist er ein Manager bzw. Berater im buchstäblichen Sinn. So vertraut etwa Brock Lesnar auch im wahren Leben schon seit vielen Jahren auf den Rat des New Yorkers. Mit Erfolg, wie ein Blick auf die Vertragsabschlüsse zeigt. Auch andere Wrestler haben ihm viel zu verdanken, wie etwa CM Punk, der es ohne seinen Zuspruch vielleicht niemals in einer seriösen Rolle ins WWE-Fernsehen geschafft hätte. Andere wiederum, wie AJ Styles, sind dagegen weniger gut auf ihn zu sprechen.
Nur vor den Kameras hat auch die Beziehung zwischen Heyman und Lesnar zuletzt großen Schaden genommen, mit Roman Reigns setzt der Berater inzwischen auf ein neues Pferd im Stall. An der Seite des selbsternannten „Tribal Chief“ zeigte uns der Manager, dass er sich auch im Alter von 56 Jahren noch neu erfinden kann, ohne dabei die eigenen Stärken zu vernachlässigen. Natürlich gibt es große Parallelen zwischen dem Paul Heyman von 2022 und dem Paul Heyman von 2012. Wer schon lange dabei ist, wird auch viele Elemente von Paul E. Dangerously aus dem Jahr von 1991 erkennen. Doch es sind die kleinen Nuancen – Gestik und Mimik –, die letztendlich den Unterschied ausmachen. Man achte nur mal auf die Blicke, die Heyman seinem Schützling immer wieder zuwirft. Ganz großes Kino.
Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob es Manager oder Valets gibt, die ihm „seinen“ Award in Zukunft streitig machen werden. Bei WWE kann ich mir das derzeit nur schwer vorstellen. Zwar gefällt mir MVP als Sprachrohr von Bobby Lashley wirklich gut, im Vergleich zu Heyman wirkt aber mitunter eher zurückhaltend. Nein, im eigenen Hause ist Heyman unantastbar.
Dafür sehe ich bei AEW gleich drei künftige Herausforderer auf die Manager-Krone, nämlich Don Callis, Dan Lambert und Taz. Sehr unterschiedliche Charaktere, jeder auf seine Art aber großartig. Je populärer All Elite Wrestling in Zukunft hierzulande wird, desto mehr Aufmerksamkeit werden auch diese Persönlichkeiten erhalten. Gut möglich, dass sich Heyman und Callis schon im kommenden Jahr ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen liefern werden.
Solange er noch Zeit und Lust auf den Job vor den Kameras hat, wird Heyman aber immer ganz oben mitspielen. Für mich hat er sich als Performer längst einen Platz im Wrestling-Olymp verdient.
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