WWE Hall of Famer Stone Cold Steve Austin
WWE Hall of Famer Stone Cold Steve Austin

MR. McMAHON WIRD SAUER

Fast gleichzeitig mit Austins KOTR-Gewinn war bei der Konkurrenz die New World Order gestartet. Nun wurden die Karten neu gemischt. Noch hatte die WCW im Montagabend-Krieg zumeist die Nase vorne, doch das Momentum begann sich bereits zu drehen. Einhergehend mit den Inhalten der TV-Sendungen. Die Federation setzte immer mehr auf Storylines und Gimmicks, die sich an Jugendliche und Erwachsene wandten. Und auf eine Rivalität, die bis heute wohl unerreicht geblieben ist. 

Vince McMahon, der sich nach dem Montreal Screwjob bei der Survivor Series 1997 vor den TV-Kameras langsam zum fiesen Mr. McMahon gewandelt hatte, war der aufmüpfige Champion ein Dorn im Auge. Er wollte aus Austin einen Musterangestellten machen, doch der ließ sich so gar nicht in eine Schublade stecken. Eine Rolle, in der sich wohl die meisten Zuschauer selbst gesehen hätten. 

Für den Boss der damaligen Federation ging damit ebenso ein Traum in Erfüllung, hatte ihm sein Vater Vincent J. McMahon doch einst Auftritte im Ring untersagt. Und er scheute sich auch nicht, ordentlich einzustecken oder sich zu blamieren. Ja, auch nicht davor, sich vor Millionen von Zuschauern buchstäblich in die Hose zu machen. Es folgten unzählige legendäre Momente, wie etwa eine Ladung Zement für die brandneue Corvette des Chairmans oder eine Fahrt im Biertruck, inklusive einer ordentlichen Dusche für die Bösewichte.

Austin größter Rivale im Ring selbst war zweifellos The Rock. Bereits um die Intercontinental Championship waren sich die beiden in die Haare geraten, als es dann jedoch um den wichtigsten Titel in der Promotion ging, wurde noch einen Gang höher geschaltet. Insgesamt drei Mal sollten die beiden bei WWE WrestleMania aufeinandertreffen. Zum ersten Mal bei WM XV am 28. März 1999 und erneut zwei Jahre später am 1. April 2001. Zwischendurch hatte Austin einmal mehr eine längere Pause einlegen müssen, um sich erneut am Nacken operieren zu lassen. 

Das zweite Duell bei WWE WrestleMania X-Seven in Texas war gleich aus zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen läutete die erste Großveranstaltung nach dem Ende des Montagabend-Kriegs das Ende der Attitude-Ära ein, zum anderen lagen Mr. McMahon und Steve Austin einander am Ende in den Armen. Tatsächlich war dieser Heelturn sogar Austins eigene Idee gewesen: „The Rock machte als Publikumsliebling eine gute Figur und ich war der Meinung, dass mein Charakter eine Auffrischung benötigte.“ 

Heute würde er es aber nicht mehr so machen. Kein Wunder, denn Austin als Bösewicht floppte. Zwar bekamen die Zuschauer die Rattlesnake in völlig neuer Rolle zu sehen, etwa als Gitarre spielenden Schleimbeutel, ausbuhen wollte ihn trotzdem niemand. Kurz gesagt: Durchaus unterhaltsam, aber irgendwie unpassend.

Mr. McMahon und Stone Cold Steve Austin! (c) WWE. All Rights Reserved.
Mr. McMahon und Stone Cold Steve Austin! (c) WWE. All Rights Reserved.

ÜBERRASCHENDES ENDE

In diese Zeit bzw. kurz danach fiel übrigens auch die Einführung der unsäglichen „What“-Rufe, die ihren Ursprung in einem privaten Telefongespräch von Austin mit Christian Mobilbox hatten. Das letzte Duell mit The Rock bei Mania war dann gleichzeitig Austin letztes Wrestling-Match – zu dem es sogar fast nicht mehr gekommen wäre: Noch am Vorabend zu WrestleMania XIX am 30. März 2003 wurde die Klapperschlange nach einem Zusammenbruch ins Krankenhaus eingeliefert. „Vor dieser Veranstaltung hatte ich mit jeder Menge körperlichen Beschwerden zu kämpfen. Ich wusste nun, dass es Zeit wurde, in den Sonnenuntergang zu reiten. Mein Körper sagte: Steve, beweg deinen Arsch hier raus“, erinnerte er sich viele Jahre später auf dem WWE-Network.

So emotional die Angelegenheit auch war, am Ende fühlte er sich einfach nur erleichtert. In den darauffolgenden Monaten trat Austin noch als Co-General-Manager oder als Sheriff auf, mit der Zeit wurden die Auftritte aber weniger. Ohne jedoch das Wrestling-Geschehen jemals wirklich aus dem Blickfeld zu verlieren. Heute ist Stone Cold Steve Austin, der zu seiner aktiven Zeit jede Menge Merchandise-Rekorde aufstellte, unter anderem Botschafter für Kawasaki, Präsentator der Reality-Show „Broken Skull Challenge“ und Podcaster. Und ein immer gern gesehener Gast in der WWE, zuletzt etwa auf dem Cover des Videospiels WWE 2k16 oder vielumjubelt bei WrestleMania in seinem Heimatbundesstaat. 

Dass er jemals wieder in den Ring steigen wird, scheint spätestens nach der letzten Mania als Ausgeschlossen. Aber das ist auch in Ordnung, denn Gesundheit muss immer Vorrang haben. 

Ob jemand wie Steve Austin auch heute noch an die Spitze schießen würde? Schwer zu sagen, denn die „Fesseln“ für Superstars in der WWE sind heute so eng wie noch nie. „Es gab in den Neunzigerjahren viele Stars. Doch sobald das Wort ‚Attitude‘ fällt, denkt man vor allem an eine Person: Stone Cold Steve Austin“, fasste der ehemalige TV-Autor Vince Russo zusammen. „Man könnte durchaus argumentieren, dass Austin die WWE vor dem Zusperren gerettet hat. Er führte die Promotion aus der finsteren Zeit.“ Und all das nahm seinen Anfang am 23. Juni 1996. Mit einer spontanen Promo über Jake „The Snake“ Roberts.

MARCUS HOLZER