DER TEE BRINGT DIE LÖSUNG
Just als ihr Gatte über neuen Vorschlägen brütete, servierte sie ihm einen heißen Tee. Mit den Worten: „Dir wird schon was einfallen. Aber jetzt trink‘ erstmal deinen Tee, bevor er steinkalt wird.“ Steinkalt – Stone Cold. Das war‘s! In den folgenden Wochen feilte Steve Austin immer mehr an seinem Gimmick. Und der King of the Ring näherte sich mit unaufhaltsamen Schritten.
Dass Stone Cold Steve Austin überhaupt als Sieger infrage kam, war einem glücklichen Zufall geschuldet. Knapp einen Monat zuvor hatten Shawn Michaels, Diesel, Razor Ramon und Diesel das Unmögliche getan und sich vor dem Live-Publikum als beste Freunde zu erkennen gegeben. Ein Bruch des sogenannten Kayfabe, und dann auch noch im legendären Madison Square Garden.
Vince McMahon war fuchsteufelswild. Am liebsten hätte er alle vier bestraft, doch Shawn Michaels war amtierender Heavyweight Champion, Diesel und Razor auf dem Weg zur WCW. Also blieb nur Triple H übrig. Dumm nur, dass er in diesem Jahr das KOTR-Turnier gewinnen sollte. Die Wahl fiel nun stattdessen auf Stone Cold, der von seinem Boss davon erst zwei Wochen davor auf einem Parkplatz erfuhr.
Dies bringt uns nun erneut zum 23. Juni 1996. Im Halbfinale gegen „Wildman“ Marc Mero zog sich Austin eine schmerzhafte Lippenverletzung zu, die mit vierzehn Stichen im Krankenhaus genäht werden musste. Gerade rechtzeitig vor seinem Final-Match gegen Roberts schaffte er es zurück in die Halle. Dok Hendrix – besser bekannt als Michael Hayes – informierte Austin über eine Promo, die Jake Roberts zuvor gehalten hatte, erzählte vom religiösen Inhalt.
Darauf wollte der Sieger nach dem entscheidenden Pinfall reagieren. „Ich dachte sofort an Football. Zu diesem Zeitpunkt sah man bei praktisch jedem Field-Goal- oder Extrapunkt-Versuch ein riesengroßes John 3:16-Plakat in den Zuschauerreihen, und das schoss mir umgehend in den Kopf“, verriet Austin in Chris Jerichos Podcast. Die gesamte Rede, bei der neben „Austin 3:16“ übrigens auch die legendäre Phrase „And that’s the bottom line, `cause Stone Cold said so“ geboren wurde, kam völlig spontan, quasi aus er Hüfte geschossen. Mit all dem Frust, er sich bis dahin aufgestaut hatte.
Noch wusste man nicht, was diese Rede für die Wrestling-Geschichte bedeuten würde. Doch spätestens als die „Austin 3:16“-Schilder der Zuschauer in den kommenden Wochen immer mehr wurden, schien klar: Stone Cold Steve Austin ist ein zukünftiges Topstar. Der sich so gar nicht an Konventionen oder Beschränkungen halten wollte.
Für einen regelrechten Medienskandal sorgte etwa eine Szene bei Raw, in der Austin in das Haus seines ehemaligen Teamkampfpartners Brian Pillman einbrach und dieser zur Verteidigung einen Revolver einsetzte. Früher als die meisten anderen erkannte Bret Hart das große Potenzial des Texaners. Als er im Oktober nach einigen Monaten Pause seine Rückkehr in die Promotion feierte, wollte darum er mit der „Texas Rattlesnake“ arbeiten.
Dies sollte die Fehde sein, die Stone Cold endgültig zum „Big Player“ im Sports-Entertainment machte. Einem Match bei der Survivor Series und einer Konfrontation beim Royal Rumble folgte der große Showdown bei WWE WrestleMania 13 am 23. März 1997. Eines der besten Mania-Matches aller Zeiten, indem das Kunststück vollbracht wurde, beide Superstars gleichzeitig zu turnen.

AUSTIN GIBT NICHT AUF
Das Bild vom blutüberströmten Texaner, der im Sharpshooter das Bewusstsein verliert, ist heute legendär. Und es zementierte Stone Cold Steve Austin endgültig als Main Eventer ein. Oder, wie er selbst sagte: „Dies war einer der besten Momente in meinem Leben. Es fühlte sich an wie der beste Orgasmus, den ich je hatte!“
Der biertrinkende, Mittelfinger-zeigende, wie ein Rohrspatz schimpfende Austin war auf dem Weg zum Weltstar. Doch gerade als man dachte, es könne nicht besser laufen, kam der SummerSlam am 3. August 1997. Stone Cold traf im Semi-Main-Event auf Owen Hart. Bei einem Tombstone-Versuch des Kanadiers krachte die texanische Klapperschlange mit voller Wucht mit dem Kopf auf die Matte und blieb für einige Minuten fast regungslos liegen. „Ich dachte sofort an Christopher Reeve. Ich hatte Angst, nie mehr laufen zu können“, gab er Jahre später zu.
Ganz so schlimm sollte es nicht kommen, doch in den Ring steigen würde er die nächsten Monate vorerst nicht mehr. „Ich hielt mich immer für einen harten Hund. Aber an diesem Abend war ich ein Prozent hart und 99 Prozent im Glück!“
Die Federation setzte trotzdem weiter auf Austin und setzte ihn, ähnlich wie Heyman Jahre zuvor, eben verstärkt am Mikrofon ein. In diese Phase fiel übrigens auch der erste Stunner gegen Vince McMahon am 22. September 1997 im MSG. Als Austin wieder in den Ring stieg, musste er aufgrund dieser und in der Vergangenheit erlittener Verletzungen seinen Stil übrigens etwas adaptieren, hin zu einem klassischen „Brawler“.
Am Erfolgslauf sollte das aber nichts ändern, zumal dieser Stil sowieso noch besser zum Gimmick der Klapperschlange passte. Wie groß Austin inzwischen geworden war, ließ sich am 29. Januar 1998 erkennen. An diesem Abend kam es nämlich zur Konfrontation mit Box-Legende „Iron“ Mike Tyson. Szenen, die es in Nachrichtensendungen auf der ganzen Welt schafften, auch in Deutschland. Eben dieser Tyson sollte auch eine entscheidende Rolle bei WrestleMania XIV spielen, als Steve Austin zum ersten Mal die Heavyweight Championship von Shawn Michaels gewann.