ECW-Legenden: Sandman und Mastermind Paul Heyman (r.)
ECW-Legenden: Sandman und Mastermind Paul Heyman (r.)

Wolfgang Stach erzählt von einem Treffen mit ECW-Mastermind Paul Heyman und erinnert sich an einige besondere Persönlichkeiten, die die härtere Gangart im Ring ausgelebt haben. (Nur für Mitglieder)

Wer mich kennt, weiß, dass extreme Wrestlingkämpfe, insbesondere auch die Death Matches, nichts für mich sind, ich diese besonders harten Kämpfe im Grunde genommen sogar ablehne. Doch da viele Power-Wrestling-Leser auch Fans dieser Kämpfe sind, ist es eine Selbstverständlichkeit, diese nicht zu ignorieren, sondern versuchen, sie ins Heft einzubauen. Genau das wollten wir auch Ende der 90er Jahre machen, genauer gesagt versuchten wir, die Videos der ECW nach Deutschland zu bekommen (DVDs gab es damals ja noch nicht).

Im Vorfeld einer USA-Reise vereinbarte ich dann auch einen Gesprächstermin mit Paul Heyman. An einem der furchtbaren Sommertage New Yorks (gemeint sind damit die Tage mit 35 Prozent Temperatur, Windstille und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit) wurde ich im Herzen Manhattans von einem Geschäftspartner von ihm mit einem Lamborghini abgeholt. Das Einsteigen war ja kein großes Problem, das Aussteigen mit damals noch etwa 40 Kilo Übergewicht dagegen schon, aber irgendwie schaffte ich auch das.

ECW-Original The Sandman
ECW-Original The Sandman holt aus

Das Gespräch selber war sehr interessant – aber auch sehr ernüchternd. Paul Heyman erzählte mir einiges über den Werdegang der ECW, welche Philosophie dahinter steckte und auch einiges sehr interessantes über die Wrestler. Er hatte auch sehr großes Interesse an einem Vertrieb in Deutschland, allerdings auch sehr utopische Vorstellungen. So meinte er, das Interesse an der ECW sei sooooo riesig und der deutsche Markt warte auf nichts anderes als auf ECW-Videos. So wollte er dann Lizenzgebühren, die jenseits von gut und böse waren. Wir hätten von jedem Video mehrere tausend Stück verkaufen müssen, um auf break-even zu kommen – etwas, das absolut utopisch war. Die ECW war zwar beliebt, aber, wie wir auch aufgrund des Leserechos immer wieder bestätigt bekamen, doch eher ein Randthema. Zudem ergaben Analysen des Vertriebs, dass die notwendigen Verkäufe nicht zu erreichen gewesen wären, zumal es auch keinerlei Fernsehpräsenz gab.

Das sagte ich dann auch Paul, was dieser einfach nicht glauben wollte. Ich nahm ihm das sogar ab und sah es nicht nur als taktisches Vorgehen, aber irgendwie schien er aufgrund der Begeisterung für das Produkt etwas die Realität aus den Augen verloren zu haben (was mir übrigens auch von Geschäftspartnern von ihm bestätigt wurde). Dieses Scheuklappendenken ist leider ehr oft verbreitet. Also sagte ich ihm freundlich ab, nachdem er Alternativangebote ablehnte.

Ich fand es zwar schade, aber wirtschaftlich gab es leider keine andere Möglichkeit. Festzuhalten blieb aber, dass es ein sehr interessanter Nachmittag war, an dem ich wieder einiges dazulernte. Obwohl ich mittlerweile inkl. der Fan-Magazin-Hefte schon rund ein Vierteljahrhundert täglich im Wrestling unterwegs bin, vergeht auch heute kaum ein wirklich interessantes Gespräch, bei dem dies nicht auch der Fall ist. Deswegen muss ich immer lächeln, wenn einige, die noch recht neu in dem Business sind, meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und sich nichts sagen lassen wollen.

SANDMAN EIN ABSOLUT FASZINIERENDER MANN

Ich lernte im Laufe der Jahre zwar sehr viele Wrestler kennen, doch, bezogen auf die USA, nur einen Hardcore-Wrestler, nämlich den Sandman. Und wie von mir schon mehrfach hier in Power-Wrestling geschrieben, versteckt sich hinter der Fassade des ausgeflippten Alkohol-Junkies einer der intelligentesten und faszinierendsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte. In der Vergangenheit erschienen wiederholt Interviews mit ihm in Power-Wrestling.

Auch in Deutschland gab es einen sehr, sehr extremen Wrestler, Peter Wiechers, den meisten besser als Hate bekannt. Er war auch der Gründer der ursprünglichen wXw, die mit dem heutigen Produkt allerdings nicht mehr viel gemein hat. Und wenn viele es nicht wahrhaben wollen oder es sogar verneinen, bin ich der festen Meinung, dass Hate einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Wrestling in Deutschland hatte, gerade auch was das Hardcore-Wrestling angeht. Dort setzte er Maßstäbe, die zum Teil bis heute nicht erreicht wurden.

Hate machte als Hardcore-Wrestler nach der Jahrtausendwende auf sich aufmerksam

Peter hat(te) nur einen Nachteil: Er war zu gutgläubig. Sowohl was das Interesse an diesem Wrestlingstil anbelangte als auch an die Zuverlässigkeit einiger seiner Mitstreiter. Lasst es mich mal so ausdrücken: Sie profitierten mehr von ihm als andersrum. Gut ist es, wenn beide Seiten zumindest in etwa gleich viel von einer Sache profitieren, 75:25 Prozent oder zum Teil noch weitgehender dagegen nicht. Und genau dies war bei Hate der Fall.

Dabei gab er sich wirklich sehr viel Mühe. Etwa wenn ich daran denken, wie er zusammen mit Vampiro eine eigene Promotion aufziehen wollte, die dann aber, zumindest meinen Informationen nach, an der Unzuverlässigkeit Vampiros scheiterte – und an Hate gegenüber von mehreren Leuten gebrochenen Versprechungen.

Ich will damit nicht damit Hates Wrestlingstil gutheißen. Im Gegenteil: Er gab alles für das Wrestling, setzte seine Gesundheit aufs Spiel, die mit Sicherheit auf Dauer gelitten hat, bekam aber nie das zurück, was er verdient hätte. Sicherlich hat auch er anderen gegenüber Versprechungen und Zusagen gebrochen, aber wenn ich das richtig sehe, weil er wiederum in der Luft hängen gelassen wurde.

Einer seiner, ich sage es mal so, Schüler war Thumbtack Jack, der, wie der Name es schon sagte, ebenfalls den extremen Stil nicht nur liebte, sondern auch lebte. Und zwar schon so weit, dass er mehrfach dem Tod gerade noch so von der Schippe sprang – und im Gegensatz zu manchem extremen Wrestler in den USA davon noch nicht einmal großartig finanziell profitierte. Zum Glück hat Alexander Bedranowsky (so sein richtiger Name) den Absprung geschafft. Wer sich über ihn bzw. das extreme Wrestling allgemein informieren möchte, dem kann nur sein Buch: „Meine Kämpfe: Eine Autobiografie“ ans Herz legen, das es u.a. auch bei Amazon für nur 7,50 Euro zu kaufen gibt. Sehr interessant ist auch Alexanders Webseite: www.meinekaempfe.de, auf der auch ein Artikel aus der Power-Wrestling-Ausgabe 09/2012 nachzulesen ist.

Paul Heyman zu ECW-Zeiten

Im Original erschienen in Power-Wrestling 1-2017